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Eine Ode an den Gewürztraminer

Das erste, das mir spontan zu Gewürztraminer einfällt: Sollte man viel öfter trinken!

Zugegeben, das Image ist etwas angestaubt, aber jedes Mal, wenn ich Gewürztraminer koste, bin ich schlicht begeistert von der intensiven Aromatik und superben Qualität hochwertiger Gewürztraminer. Neulich erst wieder im Elsass, als ich bei Famille Hugel in Riquewihr die neuen Jahrgänge verkosten durfte.

Neu ist dabei relativ: Wie gewohnt bringt Hugel die Weine erst dann auf den Markt, wenn sie das optimale Trinkfenster erreichen. Aktuell bedeutet das Jahrgang 2020 beim Gewürztraminer Estate und Jahrgang 2014 beim Gewürztraminer Grossi Läue. Beide Weine zeigen exemplarisch, dass Gewürztraminer Reife nicht nur verträgt, sondern gar benötigt. Ich konnte dort zwar auch die Folgejahrgänge probieren, der 2021er Gewürztraminer Estate aus einem im Elsass gigantischen Jahrgang war zwar der bessere der beiden Jahrgänge, aber der ein Jahr ältere 2020er hatte einfach ein klein wenig mehr an Charme.

Schier die Schuhe ausgezogen hat es mir aber beim 2014 Gewürztraminer Grossi Läue, einem eher kühlen Jahrgang. Grossi Läue bedeutet soviel wie Grand Cru oder Große Lage, in diesem Fall kamen die Trauben direkt aus der Grand Cru Lage SPOREN. Karte siehe: https://www.vinsalsace.com/de/carte/#!/grands-crus/sporen/

In dieser 23,7 Hektar großen Lage hat Famille Hugel mit 4,84 Hektar den größten Besitzanteil. Der auf 275 m Höhe nach Südosten gelegene Weinberg Sporen ist eine natürliche Talmulde mit sanftem Gefälle. Er besteht aus an der Oberfläche kalkarmen Ton-Mergel-Böden aus dem Unteren Jura. Seine tiefen Böden, die auch in Jahren mit geringen Niederschlagsmengen dank guter Wasserführung vor Trockenheit geschützt sind, lassen die Wurzeln der Rebstöcke den Boden nach Spurenelementen abtasten, die einen entscheidenden Beitrag zur Komplexität der Weine leisten. Im Archiv der Herzöge von Württemberg wird der Sporen schon 1432 urkundlich erwähnt. 1580 räumt ihm der Schriftsteller Johann Fischart den ersten Platz unter den Elsässischen Weinen ein: „Doch gegen den Reichenweier Sporen haben Sie alle das Spiel verloren.“ Die Grand Cru Weine aus dem SPOREN sind fein und rassig, sie verbinden Reichtum mit Eleganz und sind bemerkenswerte Lagerweine.

Gewurztraminer Parzellen von Hugel im Sporen

Die Grand Cru Lage SPOREN mit rot markierten Parzellen Gewürztraminer für den Grossi Läue

Doch zurück zum Wein 2014er Gewürztraminer Grossi Läue: Nach strenger Selektion jeder einzelnen Beere – 2014 wurde kaum die Hälfte einer normalen Ernte gelesen – und Mostvorklärung gärte er traditionell langsam im großen Holzfass. Der erste Abstich erfolgt vor dem Winter, die kalten Temperaturen in den Gewölbekellern in Riquewihr sorgen für weitere Klärung. Das minimiert den Filtrierungsbedarf, wenn im späten Frühjahr der Wein auf die Flasche kommt. Über viele Jahre reifen die gefüllten Grossi Läue Weine dann im Keller der Hugels, bis sie ihre Trinkreife erreichen.

Der 2014er Gewürztraminer Grossi Läue glänzt mit goldgelber Farbe mit grüngelben Reflexen und silbernem Schimmer. Er duftet sehr elegant und betörend nach Rosen, Ananas, Litschi und Muskatnuss, Jasmin und Honig. Das alles dicht ineinander verwoben, doch klar und präzise. Das Spektakel beginnt dann beim ersten Kontakt mit den Papillen: Die intensiv saftige Frucht von getrockneten Aprikosen, Mango, Litschi und weißem Pfeffer mit betörendem Schmelz wird von einer unglaublichen Frische getragen, die höchsten Säurewerte in der Geschichte. Die Säure stört nicht im Geringsten, im Gegenteil, sie gibt dem Wein einen irren Kick, und ist bestens gepuffert durch eine dezente Restsüße (Restzucker unter 20 g/L). Es ist also kein klebrig süßer, pappiger Gewürztraminer, wie man ihn leider viel zu oft im Elsass (und anderswo) findet, sondern ein perfekt balancierter, hoch eleganter, verführerischer Wein. Der wird von einer salzigen Mineralität begleitet, die den Wein so komplex und pikant macht, dass man mit jedem Tropfen neue Facetten entdeckt. Ein spektakuläres Gesamtkunstwerk, das ganz großes Gaumenkino bietet! Er wird sich auch noch die nächsten 10 Jahre die gleiche Freude bereiten.

Die besten und teuersten Gewürztraminer sind hingegen die hochsüßen Beerenauslesen (auf Französisch: Sélection des Grains Nobles = SGN) oder Trockenbeerenauslesen. Auch in dieser Liga spielt Hugel ganz vorne mit. Als Pionier für diese restsüßen Weine haben die Hugels maßgeblich die Regularien für Vendanges Tardives (VT = Spätlese) und der Sélection des Grains Nobles mitgewirkt.

Auch hier bringt Hugel erst sehr spät die Weine auf den Markt. Aktueller Jahrgang für den Gewürztraminer Vendange Tardive ist Jahrgang 2014, für die SGN gar Jahrgang 2010. Gewürztraminer ist zwar anfällig für die Edelfäule (Botrytis cinerea), die die Beeren rosinenartig einschrumpfen lässt, allerdings gelingt es nicht jedes Jahr, SGN zu erzeugen.

Die trockenen Varianten des Gewürztraminers sind dank ihrer Aromatik eher als köstlicher Aperitif oder Begleiter aromatisch intensiver Speisen wie Seeteufel mit Safran, Lamm mit Paprika, Peking-Ente, Thai-Curry, Wild wie Fasan oder Rebhuhn und kräftigem Käse prädestiniert.

Der Gewürztraminer Classic von Hugel bietet sich dafür an, oder der Gewürztraminer Lafóa von Schreckbichl aus Südtirol. Der Gewürztraminer ist ja die rotschalige Mutation des Traminers, der nach seinem Herkunftsort Tramin in Südtirol benannt ist. Tramin hingegen wird im Jura auch Savagnin bezeichnet, aus dem der geniale Vin Jaune erzeugt wird. Doch das ist ein ganz anderes Thema.

Kleiner Hinweis: Im Französischen gibt es keinen Umlaut, weshalb dort der Gewurztraminer mit u statt mit ü geschrieben wird. Wir haben bewusst die deutsche Schreibweise verwendet.

Text: Frank Roeder MW
Foto: Famille Hugel