Lieblingswein
Häufig werde ich nach meinem Lieblingswein gefragt. Die Antwort darauf ist immer die gleiche: Ich habe keinen Lieblingswein, ich habe derer viele! Denn genau die Vielfalt ist das Faszinierende an der Weinwelt.
Als Master of Wine sowie als verantwortlicher Einkäufer von MASTERWEIN komme ich mit einer Riesenzahl an Weinen in Kontakt. Zwischen 3.000 und 5.000 Weine verkoste ich jährlich, wohl gemerkt: verkosten, nicht trinken! Verkosten bedeutet, dass ich die Weine - meist ohne Kenntnis des genauen Inhalts - analysiere, beschreibe, bewerte (alle Notizen werden schriftlich festgehalten) und: ausspucke. Dabei entdecke ich immer wieder faszinierende, großartige oder ungewöhnliche Weine, die mich berühren, packen oder nachhaltig beeindrucken.
Das sind beileibe nicht immer die teuersten Weine. Klar, die teuren Spitzenqualitäten gehören zum Besten, was es an vergorenem Traubensaft gibt. Aber nicht immer gehören sie zu den Weinen, die langfristig in meiner Erinnerung haften bleiben. Oft sind es die Überraschungen und Entdeckungen, die manchmal nur ein Bruchteil der exorbitanten Preise der weltberühmten Spitzengewächse kosten, an denen ich mich erfreue wie ein Kind an Weihnachten.
Ich lebe Wein, ich liebe Wein. Besonders Riesling, die für mich faszinierendste weiße Rebsorte überhaupt. Riesling Kabinett ist die schönste Form: Mit ihrem Spiel von Süße und Säure, ihrer Leichtigkeit bei hoher Komplexität und dem niedrigen Alkohol, sind es vor allem die Rieslinge von Saar und Mosel, die für mich die schönsten Meditationsweine überhaupt sind. Insofern könnte ich hier zig Weine dieser Kategorie zeigen. Doch ich muss mich beschränken und wechsle daher häufiger Erzeuger, Lage oder Preisniveau. Aber einen Riesling werden Sie in der Rubrik Masterwein immer finden.
Auch für Pinot Noir habe ich ein Faible. Sie glänzen - wie oft auch der Riesling - mit Finesse, Eleganz und Subtilität. Meist sind sie nicht mächtig oder kraftvoll, und werden besonders von Menschen, die lieber intensive und wuchtige Rotweine trinken, nicht ernst genommen. Das ging mir auch lange so. Aber wer einmal einen großen, perfekt gereiften Burgunder genossen hat, der wird wie ich von dieser Magie gefangen, die einen nicht mehr loslässt. Aber vielleicht ist die Neigung zu subtilen Weine auch eine Frage der Erfahrung und des Alters?
Keine Frage: Ich liebe vor allen Dingen Qualität. Insofern schätze ich große Bordeaux (z.B. Haut-Brion, Latour oder Palmer), komplexe Burgunder, gigantische Kalifornier (wie Insignia oder Screaming Eagle), tiefgründige Spanier (z.B. L'Ermita oder La Faraona), elegante Italiener (z.B. Flaccianello oder Ornellaia): alles hervorragende Rotweine, die ich mit Ehrfurcht trinke, wenn Sie auf dem Höhepunkt sind. Der einzige Nachteil dieser Weine ist ihr hohes Preisschild.
Nicht so ganz verstehe ich, dass die meisten Weinliebhaber eher bereit sind, für einen Rotwein tief ins Portemonnaie zu greifen als für Weißwein. Dabei sind viele Weiße oft genauso großartig und faszinierend wie Rotweine. Probieren Sie mal einen LR aus Südtirol, den Roussanne von Beaucastel, den Clos de Mouches von Drouhin, oder den Mas de Daumas Gassac Blanc. Man wähnt sich beim Trinken dem Paradies so nahe.
Wein ist Leidenschaft, ist Passion, ist Emotion. Wenn ein Wein mir gefällt, ist das schön. Aber wenn er mich packt, mir eine Gänsehaut verursacht (und das machen alle oben genannten!), mich schwelgen lässt, mich begeistert, dann ist es ein Wein für die Master Selection. Ich wünsche mir, dass die Wein-Entdecker und Wein-Freaks unter Ihnen beim Genuss dieser Weine ähnliche Empfindungen und Emotionen erleben.
Es grüßt Sie herzlichst Ihr Frank Roeder, Master of Wine.