Man darf es getrost als die Entdeckung des Jahres bezeichnen. Im Frühjahr diesen Jahres stellte mir Maria Isolina Cattanese – eine feurige Sizilianerin, die ich seit vielen Jahren kenne und schätze – die Weine ihres neuen Arbeitgebers Torrevento aus dem nördlichen Apulien vor. Ein großer Erzeuger mit vielen unterschiedlichen Weinen in allen Farben, doch mich interessierten nur die Rotweine. Einige davon waren geschmückt mit der Auszeichnung Tre Bicchieri des Gambero Rosso, was ich mit Staunen - und einer gehörigen Portion Misstrauen - zur Kenntnis nahm.

Ich ließ mir Zeit mit der Verkostung, doch schon beim günstigsten Wein – Bolonero für 7,95 € und 3 Gläsern geschmückt – war mir sofort klar, das ist VALUE FOR MONEY! Nachdem ich auch die anderen Weine verkostet hatte blieb nur eine Entscheidung: Auf nach Apulien und das Weingut besuchen, um es auf Herz und Nieren zu testen.

Dottoressa Alessandra Tedone (links) - die Geschäftsführerin von Torrevento
und die Export-Leiterin Maria Isolina Cattanese (rechts)

Anfang Oktober waren wir vor Ort, die Lese war noch in Gange. Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen knapp unter 30 Grad wurden wir herzlich von der Geschäftsführerin Dottoressa Alessandra Tedone und der Export-Leiterin Maria Isolina Catanese begrüßt. Manch einer wird sich an Maria-Isolina noch bestens erinnern: Sie war einmal für Mandrarossa tätig und gemeinsam haben wir ein rauschendes Fest namens Wein im Park in Völklingen organisiert, bei dem wir aus Sizilien 5 ältere Köchinnen – allesamt gestandene Mamas von Mitarbeitern von Mandrarossa – einflogen. Mehr als 1.000 Gäste waren begeistert von deren Kochkünsten: Sizilianischer Küche par excellence, wie etwa Pasta al Salsiccia, Coniglio (Kaninchen), Brot/Tomaten-Suppe …. Allein beim Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen!

Doch jetzt sind wir in Apulien. In der Lese: Ständig kommen Traktoren mit Anhängern voller Trauben, denn die Weinberge liegen überwiegend rund um das Weingut Torrevento zu Füßen der imposanten Burg Castel del Monte. Das garantiert eine schnelle Verarbeitung der Trauben. Aber zunächst werden Qualität und Zustand der Trauben geprüft. Blitzblank sind die Auffangbehälter, von dort gelangen die Trauben per Schnecke in die Entrapper und von dort in die Gärbehälter. Gute Organisation ist gefragt. Der verantwortliche Önologe Leonardo Palumbi begleitet uns auf dem Weg durch die Produktion und beantwortet alle meine oft nervigen Detailfragen zu meiner größten Zufriedenheit. Hier wird keine Show abgezogen, hier wird nichts vorgespielt: Hier wird gearbeitet, und gerade deswegen verblüffen Sauberkeit und Organisation.

Die Auffangbehälter für die Traubenanlieferung sind picobello sauber!

Wir durchlaufen jede einzelne Phase des Produktionsprozesses, Traubenannahme, Entrappung, Pressen, Schönung der Moste durch Sedimentation (nur beim Weißwein erforderlich), Gärkeller, Reifekeller, Abfüllung, Etikettierung, Lagerung, Kommissionierung bis hin zum Versand. Alles hoch professionell und effizient organisiert, wie man es nur selten zu sehen bekommt.

Große unterirdische Betontanks und Holzfässer (Barriques) im Keller von Torrevento

Nahezu jede Art von Tank ist zu sehen: Edelstahl-Tanks mit Kühlmöglichkeit, große Beton-Tanks teils unterirdisch, teils im kühlen Keller der alten Gebäude. Denn wir befinden uns in den Gebäuden eines ehemaligen Benediktinerklosters, das im 18. Jahrhundert gebaut wurde. Die weitläufigen, unterirdischen Keller sind geradezu perfekt für Lagerung und Reifung der Weine. 

Die Riservas reifen in aller Regel mindestens ein Jahr in großen Holzfässern

Für die Zwischenlagerung der einfacheren Weine werden Betontanks genutzt

Konstante Temperatur und klare, saubere, filtrierte Luft sorgen für ideale Lagerungs- und Reifungsbedingungen. Es ist kühl, doch wir merken das erst mit dem Aufstieg aus dem Keller in den Verkostungsraum. Dort ist bereits alles vorbereitet. Auf die Frage, was ich denn alles verkosten möchte, habe ich natürlich meine Standard-Antwort wiedergegeben. ALLES! Denn nur so kann man tatsächlich alle Stärken und Schwächen eines Weinguts erkennen. Deshalb sind für mich auch die einfachsten Weine interessant, denn wenn diese Qualitäten, die meist für die Supermärkte und den LEH konzipiert sind, sauber und mit klarer, rebsortentypischer Frucht überzeugend, stimmt meist auch der Rest.

Am Ende der Probe entscheiden wir uns ganz einfach für die besten Weine

Los geht es mit den Perl- und Schaumweinen, die im lokalen und regionalen Markt Bedeutung haben, dann geht es über schöne, einfach Weißweine - die in ganz Italien als Begleiter von Fisch- und Meeresfrüchten gefragt sind - zu erstaunlich delikaten Roséweinen. Besonders beeindruckt uns der Veritas Rosato, der als allererster italienischer Rosé die DOCG (als höchste Qualitätseinstufung mit besonders strengen Regeln hinsichtlich Ertrag und Qualität) Anerkennung erhielt.

Auch wenn Torrevento sehr zuverlässige und attraktive Weine aus dem südlichen Apulien, dem Salento oder Absatz des Stiefels, erzeugt, vornehmlich aus Primitivo, interessieren wir uns mehr für die Weine aus den lokalen Sorten, allen voran Nero di Troia und Bombino. Die Weine sind klar in Frucht und Struktur, wunderbar gereift und erwärmen wie die Sonne, die draußen noch kräftig scheint. Sie wärmen auch unsere Seele.

Die DOC-Weine und noch mehr die DOCG-Weine aus und um Castel del Monte bieten unglaublich viel Trinkfreude bei irrwitzig günstigen Preisen. Oder wie oben schon erwähnt: VALUE FOR MONEY!

Text und Fotos: Frank Roeder MW