Magische Momente: Die Vertikale der Ikone L'Ermita

27. Februar 2023 News

Der Kultwein L’Ermita von Winzer-Genie Alvaro Palacios ist der gesuchteste und definitiv auch einer der besten Rotweine Spaniens, wenn nicht gar der Welt. Ein Wein, der alle Maßstäbe des Gewesenen sprengt, der trotz seiner Klasse im Laufe seiner noch recht jungen Geschichte (seit 1993) kontinuierlich besser wurde, was der Genialität und dem kompromisslosen Streben nach Perfektion seines Machers Alvaro Palacios zu verdanken ist.

In einer Vertikalen versuchten ein paar Wein-Verrückte diese Entwicklung nachzuvollziehen und zu verstehen, was die Magie des L’Ermita ausmacht. Selbstredend, dass der sympathische Alvaro Palacios nicht fehlen durfte, er schaltete sich online dazu. Dank der akribischen Vorbereitung zu allen 10 Jahrgängen durch Master of Wine Frank Roeder und mit Unterstützung und zahlreichen Anmerkungen, Anekdoten und Kommentaren von Alvaro erlebten wir einen spektakulären Abend mit packenden, atemberaubenden Weinen im Leo’s Grill & Bar in Elversberg, das mit einem grandiosen, eigens auf die Weine abgestimmten Menü den idealen Rahmen bot.

Über 100 Jahre alter Garnacha Rebstock 

Zehn Jahrgänge des L’Ermita von 2006 bis 2020, inklusive einer Magnum-Flasche, belegten eindrucksvoll, wie sich L’Ermita von einem Spitzenwein in die Liga der besten Weltklasse-Weine katapultierte und zu einer Ikone wurde. Die Produktionsmenge schwankt stark, selten sind es mehr als 2.000 Flaschen, manchmal gar weniger als 1.000. Das hängt mit der peniblen Selektion zusammen, die Lesemenge variiert zwischen 5,5 und 12,5 Hektoliter pro Hektar, und der überschaubaren Größe.

Die nur 1,45 Hektar kleine Einzellage liegt im Herzen des Priorats unweit des Dorfes Gratallops. Die Böden der terrassierten Steillage ist von verwittertem Schiefer geprägt, der hier Licorella genannt wird. Biologische Bewirtschaftung ist für Alvaro selbstverständlich.

Licorella Böden (verwitterter Schiefer) im L'Ermita Weinberg

Häufig befinden sich  nur ein bis zwei Rebzeilen in einer Terrasse. Der Name L'Ermita stammt von einer alten Einsiedelei, die noch heute die Bergkuppe krönt. Absolut sehenswert sind zwei Videos, einmal von der Lese 2018 sowie von der Lese 2020.

Video Lese 2018: https://vimeo.com/300494749/e9eb4831a0

Video Lese 2020: https://vimeo.com/473767839/bca19c7e03

Die überwiegende Teil der Reben im L’Ermita wurden 1939 gepflanzt, manche sind deutlich älter (über 100 Jahre), alle sind im Einzelstock erzogen. Überwiegend Garnacha (ca. ¾) und Cariñena (ca. ¼) plus 1% weiße Reben (Garnacha Blanca, Macabeo, Pedro Ximenez). Bis 2005 war im L’Ermita noch Cabernet Sauvignon enthalten. Danach wurden die Cabernet-Rebstöcke auf Garnacha umgepropft.

Damit gelang ein Qualitätssprung und vor allem einer Präzisierung der Stilistik, doch es sollte nicht die einzige Veränderung sein. Die Traubenselektion wurde verfeinert, die Gärung startet mit den eigenen Hefen. Die Mazeration dauert inzwischen bis zu 40 Tage. Der Ausbau erfolgte zu Beginn noch über 20 Monate in 100% neuen Barriqeus aus französischer Eiche, doch im Laufe der Jahre wurden Fassgröße (über Tonneaux bis hin zu Fuderfässern)  gesteigert und die Dauer des Ausbaus von 20 Monaten auf 14 Monate verkürzt. Dabei folgt Alvaro weniger einer festen Regel, sondern vielmehr dem Charakter des Jahrgangs und der Entwicklung seiner Weine.

In diesem Fasskeller reifen die Weine von Alvaro Palacios

Folgende Weine wurden verkostet:

2020 L'Ermita   99 Parker-Punkte
2019 L'Ermita 100 Parker-Punkte
2018 L'Ermita   99 Parker-Punkte
2017 L'Ermita   98 Parker-Punkte
2016 L'Ermita (97 - 100) Parker-Punkte
2015 L'Ermita (Magnum) 97 Parker-Punkte
2014 L'Ermita   98 Parker-Punkte
2011 L'Ermita   95 Parker-Punkte
2008 L'Ermita   96 Parker-Punkte
2006 L'Ermita   96 Parker-Punkte

Diese Bewertungen spiegeln die Leistungsdichte des L'Ermita, die ab dem Jahrgang 2016 noch einmal einen Sprung erlebte.

Weinbewertungen sind Momentaufnahmen. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren, denn die meisten dieser Parker-Bewertungen liegen schon einige Jahre zurück. Sie waren aber für uns Anlass genug, mit dem ältesten Wein dieser Serie zu beginnen, wovon sich auch Alvaro Palacios im ersten Moment sichtlich überrascht zeigte. Doch nach kurzem Nachdenken erschien ihm unsere Reihenfolge so plausibel, dass er in Zukunft darüber nachdenkt, ebenfalls mit dem ältesten Wein zu beginnen.

Beginnen wir mit dem Jahrgang 2006, die Flaschenzahl nennt nur die 0,75 L Flaschen, darüber gibt es wenige Magnum, Doppelmagnum und Jeroboam. Alle Weine wurden mindetsens 2 Stunden dekantiert.

2006 L'Ermita: 100% Garnacha, Ertrag 11,5 hl/ha, 2.500 Flaschen. Ein verheißungsvoller Auftakt! Im Duft ein komplexes Gewebe von reifen schwarzen Kirschen, Graphit, geröstetes Brot, nasser Stein, etwas Lakritze und ein Hauch Anis. Satte Kirschfrucht auch am Gaumen, mit packenden reifen Tanninen gesegnet, sehr klar und frisch in der Aromatik, herrlich saftig, stimmig und balanciert, mit noch gut zehn Jahren Zukunft. 95 Punkte

2008 L'Ermita: 100% Garnacha, Ertrag 5,5 hl/ha, 725 Flaschen. Diese Flasche zeigt trotz perfektem Korken eine deutliche Entwicklung. Erdige Noten, tertiäre Aromen von Hagebutte, marmeladig, anstrengend. Der einzige Wein in dieser Probem der nicht unseren Erwartungen entsprach. Fehlerhaft, daher keine Bewertung.

2011 L'Ermita: 90% Garnacha, 8% Samsó, 2% Weisse Trauben, Ertrag 7,64 hl/ha, 1254 Flaschen. Betörendes Bukett mit enormem Tiefgang, Krachkirschen, Leder, Teer, Schiefer, spektakulär vielschichtig und komplex. Am Gaumen viel Grip durch engmaschiges Tannin, das bestens in die satte Kirschfrucht eingebunden ist, super elegant, fein verwoben, und dennoch mit Power, sehr langes, tänzelndes Finale, hoch attraktiv. Macht viel Spaß und hat gut 10 Jahre Zukunft. 97 Punkte

2014 L'Ermita: 91% Garnacha, 8% Cariñena, 1% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 7,85 hl/ha, 1042 Flaschen. Laut Aussage von Alvaro der bisher säurebetontestende Wein. Zurückhaltendes Bukett nach gelbem Pfirsich, Grapefruit, Schiefer, florale Noten. Am Gaumen sehr fest und packend mit deutlich körnigen Gerbstoffen, die durch die prägnante Säure noch betont werden. Viel saftige Beerenfrucht mit Würznoten, pfeffrig, Granatapfel, wird mit zunehmender Belüftung immer klarer und besser. Ein Langläufer, der seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat, wird aber vermutlich nicht die Klasse des jetzt perfekten 2011ers erreichen. 96 Punkte

2015 L'Ermita Magnum: 91% Garnacha, 8% Cariñena, 1% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 12,85 hl/ha, 2200 Flaschen (140 Magnum). Erst am 31. Oktober und 1. November gelesen! Sowohl im Duft wie am Gaumen ein Charmeur. Opulentes Bukett nach Waldbeeren, Heidelbeeren, wilden Erdbeern, mit Kräuternoten, Rosmarin, Salbei, dunkle Schokolade, schwarzer Tee, facettenreich. Saftig und ausladend die Beerenfrucht am Gaumen, mit viel feinem Säurespiel, frisch, expressiv, brillante Klarheit in der Aromatik, hervorragend balanciert, die Tannine feinkörnig, alles sehr stimmig. Wird im Glas von Minute zu Minute besser. Zumindest in der Magnum noch 10 bis 12 Jahre Zukunft. 98 Punkte

2016 L'Ermita: 85% Garnacha, 14% Cariñena, 1% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 10,71 hl/ha, 1350 Flaschen. WOW! Einer meiner Favoriten! Ausladendes Bukett von schwarzen Kirschen, Holunder, Zigarrenkiste, Röstnoten, Wild, Kräuter, Kakao, Mokka und Teer. Enorm konzentriert und stoffig, mit atemberauender Spannung und Tiefgang, vibrierende Säure, mit geballter Ladung feinster Gerbstoffe, viel Extrakt, zum Kauen, mineralisches Spiel, fast schon salzig im endlosen Nachklang. Hat ordentlich Schmackes! Trotz aller Wucht und Intensität bleibt er hoch elegant. Mindestens 15 Jahre Zukunft 100 Punkte

2017 L'Ermita: 80% Garnacha, 18% Cariñena, 2% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 15,27 hl/ha, 2300 Flaschen. Obwohl anders als der 16er ist auch dieser Jahrgang bezaubernd schön. Er hat nicht den Druck am Gaumen und die Konzentration seines Vorgängers, dafür bietet er etwas mehr Spiel und Finesse. Florales Bukett, weiße Mandeln, leicht speckig, fleischig, nuanciert, mit Tiefgang, ständig neue Facetten zeigend, Veilchen, dunkle Schokolade. Ein in sich ruhender L'Ermita, sehr präzise Aromatik, dunkle Kirschen, herrlich feine Würz- und Röstnoten, feinste Tannin und geniales Säurespiel, ultralanges, hochelegantes Finish. Kann noch zulegen. 98+ Punkte

2018 L'Ermita: 78% Garnacha, 20% Cariñena, 2% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 12,5 hl/ha, 2095 Flaschen. Schon erstaunlich zugänglich gefällt der 18er L'Ermita mit einem prägnanten Veilchen-Bukett, Lakritze, Teer, reife Amarenakirschen, dezent Röstaromen, verspielt und ausdruckstark. Dem saftigen Auftakt mit viel Frucht folgt der Tanz von filigraner Säure und noch sandigen Gerbstoffen, ein Wein der in sich ruht, voller Würde, alles stimmt und passt zueinander und fließt in ein langes, unaufgeregtes Finale, das lange nachklingt. 99+ Punkte

2019 L'Ermita: 73% Garnacha, 26% Cariñena, 1% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 15,27 hl/ha, 1925 Flaschen. Definitiv der beste Wein der Probe: Dieser Reichtum an Aromen, diese Fülle, diese Kraft, diese Finesse sind einfach unglaublich! In diesem Ausnahme-Jahrgang sind auch die Finca Dofi und selbst der Les Terrasses überragend gelungen. Schicht für Schicht erschließt sich der Wein dem Gaumen, mit jedem Schlückchen eröffnen sich neue Aromenfenster, eine unvorstellbare Dimension. Auch wenn die Tannine noch nicht vollständig integriert sind, zeigt er auf unnachahmliche Weise, was in ihm steckt und was aus ihm werden wird. Der erste Wein in meinem Erfahrungsschatz, der die 100 Punkte-Grenze überragt. Er überragt so viele 100 Punkte Weine, die ich schon gekostet habe, dass er in eine andere Liga vorstößt. 100+ Punkte, auch wenn so etwas per definitionem nicht möglich ist. 25 Jahre Zukunft.

2020 L'Ermita: 92% Garnacha, 7% Cariñena, 1% weiße Trauben (Garnacha Blanca, Macabeo, PX), Ertrag 8,68 hl/ha, 1441 Flaschen. Trotz deutlich unterschiedlicher Rebsortenzusammensetzung (wegen Mehltau beim Cariñena) ein L'Ermita, der viele Gemeinsamkeiten mit seinem Vorgänger hat, dem es lediglich an der Perfektion mangelt. Groß allemal, mit ähnlicher Finesse ausgestattet, ähnliche Anlagen in den Dimensionen, ähnlich viel Verspieltheit und Finesse, nur von allem ein Tick weniger. In diesem jungen Stadium ist das verständlich, aber es ist klar erkennbar, dass er nicht die Größe und Erhabenheit seines Vorgägers erreichen wird. Dennoch in sich selbst ruhend. Mit großer Zukunft, bis 2040. 98+ Punkte

Alvaro Palacios hat uns zudem verraten, dass der Jahrgang 2021 nochmals einen Sprung nach vorne brachte, er soll an den phänomenalen 2019er heranreichen. Wir lassen uns überraschen!