
Fein und rar: Jahrgangs-Cognac 1970 von Prunier
Die Cognacs des Familienbetriebes Maison Cognac Prunier genießen bei Kennern weltweit höchstes Ansehen. Eine besondere Spezialität dieses Hauses sind die lang gereiften Cognacs, die die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreifezeit in Holzfässern weit übertreffen. Die Speerspitze de Produktion sind neben dem exquisiten Cognac Extra Hors d'Age die Jahrgangs-Cognacs. Der Jahrgang 1970 wurde im März 2019 - also nach fast 50 Jahren Reifung im Fass - in Faßstärke abgefüllt. Nur 630 Flaschen gibt es davon. Für Stéphane Burnez, Eigentümer und Betriebsleiter des Hauses Prunier, ist der 70er der Inbegriff eines Spitzen-Cognacs.
Üblicherweise ist Cognac ein Verschnitt aus mehreren Jahrgängen und verschiedenen Herkünften, um eine möglichst homogene und gleichbleibende Stilistik und Qualität zu gewährleisten. So muss ein Cognac VS mindestens 2 Jahre Fassreife aufweisen, wobei das Alter eines Cognacs vom jüngsten im Verschnitt befindlichen Cognac bestimmt wird. Viele VS Cognacs sind mit älteren Cognacs „gemischt“. Bei Prunier ist der VS ein Versnchitt aus 3 und 4 jährigen Cognacs aus den Regionen Petite Champagne, Fins Bois und Petits Bois.
Ein VSOP, der mindestens 4 Jahre Fasreife aufweisen muss, ist bei Prunier jedoch schon 10 Jahre alt und stammt aus den beiden Top-Regionen Grande Champagne und Petite Champagne. Da das Maison Prunier auf die Karamelisierung (Hinzugabe von Zuckersirup) der Cognacs verzichtet, zeigt dieser VSOP ein hohes Maß an Feinheit und Eleganz, die durch die Reife in 400L-Barriquefässern (mind. 10 Jahre) noch weiter perfektioniert wird. Seine harmonische Aromatik verbunden mit einem samtigen Abgang begeistern.
Ein XO muss seit 2016 mindestnes 10 Jahre gealtert sein (vorher waren es nur sechs Jahre). Der Cognac XO Très Vieille von Prunier ist Testsieger der wichtigsten französischen Wein-Fachzeitschrift (Revue du Vin de France). Er glänzt durch gehaltvolle, fruchtige Aromen. Hergestellt aus ausgesuchten Grundweinen des Herzstücks der Region, der Grande Champagne. Diese bildet durch ihre hochwertigen Kalkböden die optimale Grundlage für die Reife der Ugni-Blanc- Traube. Der XO erfährt seine Verfeinerung und komplexe Struktur durch den Verschnitt von Jahrgängen in einem Alter von 20-80(!) Jahren. Sehr komplexer Cognac mit schier endloser Länge!
Doch nun zum Jahrgangs-Cognac (oder Vintage Cognac): Der 1970er Petite Champagne von Prunier wurde erst vor kurzem, im März 2019 abgefüllt, sprich er reifte rund 48 Jahre im Holzfass. Die Abfüllung erfolgte mit der aktuellen Alkoholgradation. Das bedeutet, dass der Cognac nicht auf die üblichen 40 Vol% verdünnt wird. Diese auch bei Whisky bekannte "cask strength" zeigt Cognac in seiner reinsten Form. Ungeheuer impressiv, fordernd, mächtig, wuchtig, mit Ecken und Kanten. Kein Schmeichler und schon gar nicht Everybody's Darling, sondern eine Herausforderung an die Sinne. Ein Cognac-Erlebnis auf höchstem Niveau. Der 1970er wurde mit 54,5 Vol% abgefüllt.
Nur 630 Flaschen wurden vom 1970er abgefüllt, eine limitierte Ausgabe also, bei der jede einzelne Flasche nummeriert und somit unverwechselbar ist. Die Flasche ist die traditionelle Altglas-Flasche, mit dickem, klarem Glas, das Lufteinschlüsse zeigt. Die Flasche wird geliefert in einer edlen Holzkiste mit Magnetverschluss und beiligendem Zertifikat.
Doch wie duftet und schmeckt er?
Zunächst zeigt der 1970 Jahrgangs-Cognac von Prunier eine intensive und vielschichtige, hoch komplexe Aromatik nach Orangenschalen, Mandeln, Karamell und Bienenwachs. Dazu gesellen sich dann feine Noten von Leder, Lindenblüten, Sandelholz, Marzipan und Bienenwachs. Das ist so faszinierend, dass man in Ehrfurcht auf das Kommende erst einmal innehalten muss, und dann immer wieder daran schnuppert, weil man laufend neue Komponenten entdeckt.
Der erste Schluck am Gaumen ist ein kleiner Schock, wenn man herkömmlichen Cognac zugrunde legt. Das hier ist eine andere Dimension, sowohl in Intensität, Kraft und Vielschichtigkeit! Nehmen Sie am besten znächst einmal einen klitzekleinen Schluck! Sie erleben dann einen überwältigenden Auftakt nach hochreifen Orangen, getrockneten Aprikosen und Datteln, die begleitet werden von Pinienkernen, Lakritze, schwarzem Tee, Haselnuss aus dem Piemont in allerfeinster Qualität. Untermalt ist das alles von einem feinen Tanningerüst, das durch die extrem lange Holzfassreife den Cognac prägt. Das alles zeigt eine unglaubliche Tiefe und Spannung, die großartig ist. Exquisit ist das wohl treffendste Wort, das dieses Erlebnis am besten beschreibt.
Erst beim zweiten Schluck offenbart sich dann die Eleganz und Finesse des Cognacs. Man hat sich besser an die Alkoholintensität gewöhnt, der Gaumen ist besser kalibriert und kann sich nun mit den Feiheiten beschäftigen. Auch wenn die sicher nicht ein besonders weicher, samtiger Cognac ist, empfindet man seine Textur als seidig fließend. Er hat Ecken und Kanten, und gerade das macht ihn so spannend und verführerisch. Wer mit dem hohen Alkohol nicht klar kommt, sollte ein, zwei Tropfen Wasser ins Glas (am besten mit einer Pipette) geben. Dann wird er geschmeidiger, zugänglicher, filigraner. Noch ein paar Tröpfchen und er wird charmant, runder, und weniger dominant, ohne aber ins Belanglose zu gleiten.
Der Nachklang am Gaumen ist quasi endlos. Er will einfach nicht aufhören zu schmecken. Wenige Tropfen im Mund sorgen für ein überwältigendes Glücksgefühl, das lange, sehr lange nachklingt. So gesehen ist der Preis eigentlich ein Schnäppchen.
Im Jahre 2020 ein perfektes, edles Geburtstagsgeschenk zum 50.!
Ein rares Geschenk, das es nur 630 mal auf diesem Planeten gibt.
Text: Frank Roeder MW