Eine Pilgerreise zu den Spitzenweinen eines exzellenten Jahrgangs 2023. Gleich zwei Geburtstage werden dabei gefeiert: Alvaro Palacios wird 60, Descendientes de J Palacios wird 25 Jahre jung.

22. April 2024 News   Alvaro Palacios, Bierzo, Descendientes

Das Ding mit magischen Orten ist, dass man sie nicht einfach erreicht. Zwar muss in diesem Fall dafür nicht unbedingt gleich Gleis neundreiviertel am Londoner Bahnhof King’s Cross für den Hogwarts-Express genutzt werden. Doch um zu Álvaro Palacios und Ricardo Pérez Palacios und deren Weingut Descendientes de J. Palacios im Bierzo am Jakobsweg zu gelangen, fliegt man entweder nach Madrid und fährt dann über vier Stunden ins Dorf Corullón weiter. Oder es geht für diese Pilgerreise via Madrid passenderweise nach Santiago de Compostela, denn unstrittig ist sie das bei Álvaro Palacios, einer der bedeutendsten Winzerpersönlichkeiten Spaniens. Von diesem galicischen Wallfahrtsort dauert die Fahrt in die nordwestspanische Weinbauregion mit ihren rund 4.000 Hektar Rebfläche immer noch zwei Stunden.

Und dann steht man an einem dieser magischen Orte, für den sich weite Wege lohnen. Das Weingut Descendientes de J. Palacios hat Ricardo Pérez Palacios initiiert und mit seinem Onkel Álvaro Palacios 1999 aus der Taufe gehoben. Den Namen „die Nachfahren von J. Palacios“ wählten sie zu Ehren Álvaros verstorbenem Vater José. 2017 setzte Stararchitekt Rafael Moneo, geehrt mit dem Pritzker-Preis 1996, eine imposante Kellerei in die Berge; tief in den Stein geschlagen, liegen 60 Prozent „unter Tage“ und oberhalb thront sie gleich einer imposanten Wein-Kathedrale hoch oben, mit einem atemberaubenden Blick über das ganze Tal. Rundherum verteilen sich 35 Hektar Rebfläche auf 250 kleine Parzellen in steilen Terrassen in der hügeligen, geradezu montanen Umgebung. Biodynamisch bewirtschaftet und teils so steil, dass hier fünf Maultiere und ein Pferd ihren berittenen Dienst erfüllen.

Das Weingut thront hoch oben über Corullón, rechts davon die Monopol-Lage Moncerbal

Ein familiärer Empfang: Tochter Lola, Neffe Ricardo, Alvaro Palacios und seine Frau Cristina

In der Monopol-Lage Las Lamas sind Tische aufgebaut. Zum „Las Lamas“ 2015 zelebriert ein nationaler Meister des Schinkenschneidens seine Kunst mit hauchdünnen, zarten Scheiben vom großen Eichel-Schinken „Arcano“ des Spitzenproduzenden Maldonado. Vor 25 Jahren begann diese Bierzo-Pionierleistung mit der Rekultivierung längst vergessener, historischer Rebanlagen.

In Las Lamas sind die knorrig wurzelnden Rebstöcke, im Einzelbaumsystem „Vaso“ erzogen, bis zu 90 Jahre alt. Mehrheitlich ist hier Mencía gepflanzt. Insgesamt haben die Perfektionisten bei Palacios 70 verschiedene Phänotypen der Kult-Rebsorte festgestellt. Dazwischen wachsen auch etwas Trousseau und 14 weiße Varietäten – das waren einst die pilgernden Mönche. Auch nach einem Vierteljahrhundert ist diese Reise nach Qualitätsstreben, nach Exzellenz, die im Bierzo durch das atlantische Klima mit mediterran heißen Tagen, kühlen Nächten und ausreichender Feuchtigkeit von Schieferböden so fruchtige, tiefenkräftige südeuropäische Weine voller burgundischer Feinheit und Eleganz hervorbringt, nicht zu Ende. 

Die Monopol-Lage Las Lamas

Seinen 60. Geburtstag hatte Álvaro Palacios unlängst begangen. Vom Scheitel bis zur Sohle merkt man dem agilen und charismatischen Winzer die sechs Dekaden nicht an. Das beweist er im Weinberg und später beim ausgelassenen Feiern. Zu diesen zwei besonderen Jahrestagen hatten die Weingüter Álvaro Palacios‘ ihre Importeure und Weinhändler zur en primeur-Jahrgangspräsentation ins Bierzo eingeladen. Und die folgten dem Ruf und pilgerten von nah und fern, aus Europa, den USA und selbst Singapur nach Corullón.

Nach dem lockeren Empfang, der die ungestüme Bierzo-Energie beinahe auch olfaktorisch betörend verströmt – auf der einen Seite des Berges die atlantischen Meeresbriesen auf der anderen Seite eine mediterrane Vegetation - geht es zurück ins Weingut. Vorbei an Pressen und Edelstahltanks unter einer hohen, säulengetragenen Decke nahezu sakralen Charakters. Eine imposante Wendeltreppe führt hinab in den Fasskeller. Hier passiert zwar Magisches, aber kein Keller-Hexenwerk. Doch warten in der konstanten Kühle nun die Weine des Jahrgangs 2023 aus allen drei Weingütern als Fassproben darauf, „en primeur“ verkostet zu werden.

Wir verkosteten die Primeur-Weine des Jahrgangs 2023 aller 3 Weingüter
im wunderschönen Naturstein-Keller von Descendientes de José Palacios,
dass dieses Jahr – ein weiterer Geburtstag! – 25 Jahre alt wird. 


Hier geht es zu den ausführlichen Verkostungsnotizen von Frank Roeder MW.

 

Anschließend wurde ausgelassen gefeiert. Großartiges Essen, viele gereifte Weine, viel Gesang, Musik und Tanz.

 

Text: Stefan Chmielewski
Fotos: Stefan Chmielewski und Frank Roeder MW
Verkostungsnotizen: Frank Roeder MW