Eine Ode an die Köstlichkeiten aus dem Meer

25. Oktober 2022 News   Springfield Estate, Robertson, Südafrika, Miss Lucy

NEU in unserem Sortiment ist Miss Lucy, ein trockener Weißwein von Springfield Estate aus Südafrika. Miss Lucy ist nur  einer der 7 Spitznamen für den Fisch Red Stumpnose, der auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere steht. Die Rote Stumpfnase (Chrysoblephus cristiceps, siehe auch Chrysoblephus cristiceps Meerbrasse (meerwasser-lexikon.de) gehört der Gattung Meerbrasse an und kommt ausschließlich in den Ozeanen um Südafrika und Mozambique vor. Doch wie kommt ein Winzer auf die Idee, einen Wein nach einem Fisch zu benennen?

Red Stumpnose (Photo Credits Johan Swanepoel, Südafrika)

Abrie Bruwer, Inhaber und Winemaker des Familienweinguts Springfield Estate in Robertson (Südafrika), ist überzeugter Weekender. Freitag Mittag, spätestens um 12:00 Uhr, fällt der Hammer und geradezu fluchtartig verlässt er das Weingut mitsamt aller Angehörigen Richtung Süden. Am Cape Agulhas, dem südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents, hat er ein Wochenendhaus direkt an der Küstenlinie. Als begeisterter Skipper hat er dort ein Fischerboot liegen, und es dauert nicht lange und er ist damit auf dem Meer, um sich sein Essen fürs Wochenende zu angeln. Alternativ zieht er seinen Neoprenanzug an, nimmt Flossen, Brille und Schnorchel in die Hand und geht die knapp hundert Meter zur felsigen Küste, legt die Tauchutensilien samt Bleigurt an und schwimmt zu seinen bevorzugten Fanggründen.

Abrie und Jeanette Brewer

Ich erinnere mich gut daran, ihn vor Jahren einmal bei einer solchen Tour begleitet zu haben. Ein zweiter Neoprenanzug mitsamt aller erforderlichen Utensilien war vorrätig, da sein Sohn (Spitzname Boy-Boy) genauso fit im Wasser ist wie sein Vater. Das Wasser war sehr kühl, um nicht zu sagen ziemlich kalt, und schon nach wenigen Minuten hatte Abrie einen ordentlichen Vorsprung. Er bewegt sich im Wasser wie eine Robbe, mühelos und pfeilschnell. Als ich ihn eingeholt hatte, lag er bereits bewegungslos im Wasser und beobachtete den Meeresgrund durch das glasklare Wasser. Nun bin ich kein unerfahrener Taucher, aber für mich sah der Meeresgrund nicht besonders aufregend aus.

Abrie zeigte auf eine Stelle, ich konnte aber nichts erkennen zwischen den kleinen Steinen, zudem hatte ich mit der Strömung und dem leichten Wellengang zu kämpfen. Plötzlich tauchte Abrie ab, zog aus einem Netz eine Art Enterhaken und begann, einen kleinen Steinhaufen damit zu bearbeiten. Nun konnte ich etwa 10 Meter unter mir beobachten, wie die Arme des Oktopus versuchten dem Haken zu entkommen. Das Tauchen in diese Tiefe mit zuwenig Blei im Gürtel war anstrengend, und schon nach wenigen Sekunden in 10 Metern Tiefe musste ich schon wieder nach oben. Eine gute Minute lang blieb Abrie unten, dann musste er den Kampf unterbrechen. Er kam kurz hoch, schnaufte kurz durch und war sofort wieder unten. Diesmal war seine Aktion von Erfolg gekrönt. Der Oktopus hatte keine Chance gegen solch einen erfahrenen Fisherman, er hatte die Vorspeise für unser Abendessen gefangen.

Frischer geht es einfach nicht. Und für seine Fänge aus dem Ozean braucht er den passenden Wein! Nun produziert Springfield Estate ja mit dem Life from Stone Sauvignon Blanc einen terroirgeprägten Kultwein mineralischer Prägung, der göttlich zu Muscheln und Meeresfrüchten passt. Ähnlich der Special Cuvée Sauvignon Blanc, der meist etwas fruchtiger ist als sein berühmterer Bruder. Die großartigen Chardonnay Wild Yeast und der Chardonnay Methode Ancienne hingegen passen besser zu gegrilltem Fisch oder - vor allem letzterer - zu gedünstetem Fisch mit kräftigen Saucen. 

Doch die Familie suchte nach Alternativen. Abrie's Schwester Jeanette fragte mich einmal vor vielen Jahren, was denn meiner Meinung nach die kommende Modesorte im Bereich Weißwein sein würde. Als guter Deutscher und begeisterter Riesling-Fan tippte ich auf Riesling. Aber seien wir ganz ehrlich: Das kühle Klima - wie es guter Riesling nun einmal braucht - gibt es nur in wenigen Anbaugebieten. Zudem kommen viele Konsumenten mit der knackigen Säure nicht klar. Mein zweiter Tipp Viognier lag auch daneben - zumindest aus Sicht eines südafrikanischen Winzers. Abrie startete Versuche mit Alvarinho, Semillon und Pinot Gris. 

Wie das so mit jungen Anpflanzungen ist, waren die Ergebnisse erst einmal wenig überzeugend. Aber der Ansatz war gut. Heute wird der Alvarinho reinsortig abgefüllt, und eben Miss Lucy als Cuvée aus Sauvignon Blanc, Sémillon und Pinot Gris. Anfangs fand ich Miss Lucy ganz nett, aber nicht aufregend genug, um ihn ins Sortiment aufzunehmen. Und er war mir daher auch ein wenig zu teuer.

Wie das so ist mit jungen Anpflanzungen: Die Reben werden älter, wurzeln tiefer, der Winzer gewinnt jedes Jahr an Erfahrung hinzu, verbessert die Weine und kommt so seinem Ideal näher. Mit dem 2021 Miss Lucy war ich zum ersten Mal rundum zufrieden, ja geradezu begeistert. Ich bin mir sicher, dass zahlreiche Weißwein-Liebhaber nach dem ersten Schluck des Miss Lucy das Gleiche empfinden werden.

Text: Frank Roeder MW