Besuch bei Comte de Thun im Gaillac

29. September 2022 News   Riccardo Cotarella, Gaillac, Comte de Thun, Chope Le Coq

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Die MASTERWEIN-Philosophie ist eigentlich ganz einfach: Wir kennen jedes Weingut persönlich, jeden Winzer und jeden einzelnen Wein. Das ist der tragende Teil unserer Qualitätsorientierung, da gehen wir keine Kompromisse ein. Na ja, Anspruch und Wirklichkeit wurden in Zeiten der Pandemie auf eine harte Probe gestellt, die Reisemöglichkeiten waren eingeschränkt. Mit etwas Verzögerung war dann Ende August diesen Jahres der erste Besuch bei Comte de Thun im Gaillac möglich. Die Reise war wichtig, und hat sich mehr als gelohnt. Neue Erfahrungen, neue Horizonte, neue Ansichten und Einsichten, und natürlich neue Weine!

Doch der Reihe nach: Als man mir vor 3 Jahren Weine aus dem Anbaugebiet Gaillac vorstellen wollte, winkte ich ab. Ich hatte kein Interesse an neuen Weinen aus wenig bekannten Regionen, denn die Probleme mit Corona zeichneten sich schon am Horizont ab. Dennoch probierte ich die Weine - und war entzückt! Bis dato kannte ich Weine aus dem Gaillac nur als ordentliche und zuverlässige, aber summa summarum eher als belanglose Alltagsweine. Das, was ich aber gerade verkostet hatte, war eine andere Welt!

Die Geschichte des Weinguts Comte de Thun begann Ende der 90er Jahre, als der Münchner Graf Ferdinand von Thun die Region Gaillac besuchte und das Château de Frauseilles entdeckte. Er verliebte sich in das Gebäude und erwarbe es zusammen mit ein paar Hektar Rebland. Da ein guter Feund in der Branche tätig war, bat er ihn um Hilfe: Der italienische Star-Önologe Riccardo Cotarella besuchte Ferdinand im Gaillac und war hin und weg: Er erkannte gleich das großartige Terroir und die Möglichkeiten, die sich ihm damit boten. Die kalkhaltigen Böden, die Lage auf dem Plateau Cordais und die Geschichte des Gaillac gaben den Ausschlag, hier etwas ganz Besonderes auf die Beine zu stellen.

Graf Ferdinand von Thun und Riccardo Cotarella

Denn aus dem Gaillac kamen zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert unter dem Namen "Vins du Coq" die bekanntesten und begehrtesten Weine Europas. Aus den Fässern mit dem Brandzeichen in Form eines Hahns kamen kraftvolle und lagerfähige Spitzenweine, die Marken-Charakter hatten. Die Weine waren haltbar und wurden während des Transports zu den europäischen Adelshöfen und Königshäusern immer besser. Diese "Vins Médecins" wurden auch vielfach verwendet, um die dünneren Bordeaux-Weine aufzupeppen.

Das hat den Produzenten von Bordeaux gar nicht gefallen. Da die Vins du Coq aber über Bordeaux verschifft werden musste, führte man zunächst hohe Zölle ein. Später durften die Weine aus Gaillac erst verkauft werden, wenn es keine Bordeauxweine mehr gab. Die Reblausplage vernichtete dann den Großteil der Reben, und die Region geriet als Produzent hochwertiger Weine in Vergessenheit.

Das was jetzt geschieht, ist nichts anderes als eine Renaissance einer in Vergessenheit geratenen Region: Das Plateau Cordais auf den Hautes Côtes des Gaillac, dem nördlichen Teil der Appellation, gilt mit seinen kargen, kalkhaltigen Böden als bestes Terroir des Gaillac. Da die Appellations-Regeln einen Anteil von 60% lokaler Reben vorschreiben, diese aber nicht den Qualitätsanforderungen der beiden Freunde entsprachen, fokussierten sie sich auf die Rebsorten, die bereits Jahrhunderte lang in Gaillac kultiviert wurden: Cabernet Franc, Merlot, Syrah.

In verschiedenen Cuvées wie etwa dem Chope Le Coq als Einstiegwein oder dem faszinierenden La Parrazal von jungen Reben sind die rebsortenreinen Weine aus diesen Sorten sind echte Crus aus Einzellagen, die die Fachwelt staunen lassen! La Maze als reinsortiger Merlot, La Cabane als reinsortiger Cabernet Franc und La Tarabelle als reinsortiger Syrah sind mächtige Weine mit hohem Alterungspotenzial. Das Besondere: Ferdinand bringt seine Weine erst dann auf den Markt, wenn sie trinkreif sind! Aktuell ist das der Jahrgang 2012, und man muss keine Angst haben, dass die Weine die mächsten 10 Jahre nicht überstehen. Frisch gefüllt ist der Jahrgang 2014, den ich vor Ort verkostet habe und der bei mir Begeisterung auslöste. Die 2015er und 2016er schlummern noch im Holzfass, und doch sind die Holznoten bestens integriert und somit sehr zurückhaltend. Die Weine haben ausreichend Frucht und Extrakt, um nicht vom Holz erschlagen zu werden. Beide Jahrgänge haben mihc mächtig beeindruckt!

Verkostung der Fassmuster 2015 und 2016 mit Ferdinand und Philipp von Thun und Önologe Orlando Caparro

Auch der neue Jahrgang 2020 des einzigen Weißweins, der aus Chardonnay, Sauvignon Blanc und Sémillon produziert wird, gefiel mir ausgesprochen gut. Während der 2018er noch einen anderen Namen trug - Mon Blanc - erhielt der Weißwein mit dem Jahrgang 2019 eine neue Ausstattung, die an dem Chope Le Coq ausgerichtet ist, und nun den Namen Décroche La Lune trägt. Das bedeutet soviel wie Hol die Sterne vom Himmel, und genau das erreicht der neue Jahrgang! Ähnlich in Struktur und Aromatik wie der grandiose 2018er Mon Blanc zeigt der 2020er Décroche La Lune wieder Fülle und viel Schmelz hinter der gelben Frucht. Wir werden diesen Wein ab Mitte Oktober anbieten können.

Zusammen mit Philipp von Thun und dem langjährigen Önologen Orlando Caparro (ausgebildet von Riccardo Cotarella) haben wir zu Fuß die einzelnen Parzellen besichtigt. Das sehr kalkhaltige Terroir ist beeindruckend, überall kommen massenhaft kieselsteingroße Kalksteine an die Oberfläche. Mal mehr, mal weniger, aber immer deutlich sichtbar. Die Qualität der einzelnen Parzellen wird dabei stark von der Quantität der Kalksteine bestimmt: Je mehr, umso besser.

Mit Philipp von Thun im Weinberg La Maze: Gut zu erkennen die zahlreichen Kalksteine

Im Keller stapeln sich eng gedrängt die zahlreichen Barriquefässer der letzten Jahrgänge, die 2021er Rotweine ruhen teilweise noch im Tank. Geduld und Vertrauen in die eigenen Weine wachsen anscheinend mit jedem neuen Jahrgang, und gibt den Besitzern wie dem Önologen die nötige Gelassenheit, dass Zeit hier ein wesentlicher Produktionsfaktor für exzellente Qualität ist.

Bei der anschließenden Verkostung aller(!) Weine und aller Jahrgänge (!) bis 2016 wurden mir auch 2 neue Projekte vorgestellt. Daher darf ich Euch versprechen: Es wird weitere Überraschungen geben!

Text und Fotos: Frank Roeder MW und Comte de Thun

 

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