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Neues von Alvaro Palacios: 100 Punkte für La Faraona 2018, 99 Punkte für L'Ermita 2018
Jedes Jahr besuche ich die Prowein in Düsseldorf, die inzwischen größte Weinmesse der Welt. Nur 2020 fiel diese Corona-bedingt aus. Nach drei Messetagen, an denen ich zwischen 300 und 500 verschiedene Weine verkostet habe, frage ich mich auf der Rückfahrt von der Prowein, welcher wohl der beste Wein der Messe war. Die letzten 10 Jahre war La Faraona sechsmal ganz vorne, dreimal L'Ermita! Es ist natürlich ein Privileg, diese beiden Kultweine Jahr für Jahr en primeur verkosten zu dürfen! Meist haben Alvaro oder sein Neffe Ricardo (einer von beiden ist immer vor Ort) nur eine Flasche der beiden extrem raren Weine mitgebracht, so dass auch nur wenige Top-Kunden in den Genuss kommen, sich persönlich von der Qualität überzeugen zu dürfen.
Zugegeben, ich liebe beide Weine, aber hier geht es nicht um meine Vorlieben, sondern um objektive Beurteilung der Qualität. Nur das zählt. Schaut man sich dann die Bewertungen von Parker und seinen Kollegen an, stellt man fest, dass L'Ermita in den letzten 10 Jahrgängen nur einmal mit 95 Punkten bewertet wurde (2011), alle anderen Jahrgänge erreichten höhere Punktzahlen bis hin zur Traumnote 100. Der neueste Jahrgang 2018 erhielt geniale 99 Punkte.
Nicht anders, und sogar noch besser verhält es sich beim La Faraona: Nur der 2011er erhielt 95 Punkte, mehrere Jahrgänge 100 Punkte oder knapp darunter. Der neueste Jahrgang 2018 - für mich der beste Wein der Messe 2019 - wird erneut mit der Traumnote von 100 Punkten bei Parker's Wine Advocate in den Weinhimmel gehoben. Meine Einschätzung während der Rückfahrt liegt ja meist 12 bis 18 Monate vor der Parker-Veröffentlichung, also kann meine persönliche Einschätzung nicht wirklich falsch sein.
Doch zum 2018er La Faraona: Vergleiche ich meine Beschreibung mit der von Luis Gutierrez (der für Parker die spanischen Weine verkostet, beschreibt und bewertet, sind wir auch dort sehr dicht beieinander. Mein Eindruck - kurz zusammengefasst - gipfelte in der Notiz: "Genial! Großartige Finesse, bester La Faraona ever! Unbedingt kaufen!"
Luis Gutierrez bechreibt das Ganze so: "The often-mysterious and ever-changing 2018 La Faraona comes from the vineyard called El Ferro, a very special plot ("I personally prune each single vine from La Faraona," Ricardo once told me. "She's mine!") of only 0.55 hectares that probably has 8% white grapes of the Godello and Jerez varieties. The vines are 72 years old on a very steep southeast-facing slope at 800 to 860 meters in altitude, and there is a tectonic fault that crosses the land and brings an unusual combination of elements and very shallow soils with the mother rock barely 30 centimeters down. The partly destemmed grapes fermented with indigenous yeasts in an oak vat, and the wine matured in foudre and barrique for 12 months. The perfume coming out of the glass was simply mind-boggling, a subtle and complex combination of flowers, herbs and spices that had taken me to different places (often the Loire) in the past, but this time it took me to the green and humid slopes of the Bierzo, the wet soils and the Atlantic smell of the ferns and moss. This is the most Atlantic of the 2018s. It has freshness and lightness but also lots of energy and light. It has great purity, a very strong sense of place, and it encapsulates the humid slopes of Corullón like no other. This is nothing short of amazing. Ricardo told me this has been the only vintage of La Faraona where the wine was harmonious all the way, starting from the grapes, which gives me an idea of a wine that is going to show and drink nicely throughout its life. It's different from the 2014, which was from a cooler year, but this is every bit as good. 1,666 bottles, 54 magnums, 10 double magnums and six jeroboams were filled the 22nd of January 2020. They've been regrafting a good percentage of the white vines to red for eight years."
Aber was genau macht den Mythos La Faraona aus? Klar, die hohe Qualität und die daraus resultierenden hohen Bewertungen sorgen bei einem Wein, von dem es im Schnitt gerade mal 1.500 Liter oder weniger gibt, automatisch für sehr hohe Preise. Aber warum sind manche Weinfreaks bereit, so viel Geld für einen Wein auszugeben, der nicht einmal annähernd so bekannt ist wie die besten Bordeaux? Wahrscheinlich dürfte der La Faraona tatsächlich nur ganz wenigen Experten bekannt sein.
Aber wer ihn einmal genießen durfte, wird dieses Erlebnis nie wieder vergessen! Um ein aktuelles Beispiel zu zeigen: Wir hatten vor ein paar Monaten mit Freunden eine spektakuläre Weinprobe mit spanischen Spitzenweinen. Jeder brachte eine Flasche mit, meinerseits eine Flasche La Faraona 2007. Darunter waren illustre Namen wie Vega Sicilia Unico, Terreus und andere. Wir waren uns zunächst nur darin einig: Alle Weine waren Spitze, aber der Faraona 2007 der beste. Doch dann, im Laufe des weiteren Abends verkosteten wir die Weine immer wieder hin und her, und obwohl wir die Weine schon geraume Zeit entkorkt hatten, wurde La Faraona besser und besser.
Mein Kumpel Alex war so geflashed, dass er die Restmengen La Faraona 2007 komplett aufgekauft hat. Vor wenigen Tagen hat er dann - mit anderen Freunden - den La Faraona zusammen mit einigen Spitzenweinen (100 Punkte) aus Kalifornien verkostet aber seine Euphorie war vom La Faraona geprägt: "Das ist eine andere Art von Weintrinken, das spielt in einer völlig anderen Dimension. Der Faraona ist so faszinierend, dass ich mich auf einer anderen Ebene befand, mich dem Paradies nahe wähnte. Er hat mich in den Weinhimmel katapultiert. Mega!"
Genau das passiert: Man erreicht nie zuvor gekannte Dimensionen des Weingenusses. Allerdings möchte ich davor warnen, ohne ausreichend Erfahrung - am besten mit spanischen Weinen, noch besser zusätzlich mit großen Burgundern - diese Erfahrung machen zu wollen. Der Faraona ist so komplex, dass es dieser Vorbildung bedarf, um ihn ganz zu erfassen (falls das überhaupt möglich ist) oder ihn sich wenigstens einigermaßen zu nähern.
Damit Sie einen kleinen Einblick in die Magie der beiden Weine gewinnen können, hat Alvaro Palacios von der Lese 2020 sowohl für den L'Ermita wie für den La Faraona jeweils ein Video gedreht, die sie hier abrufen können:
Video Weinlese L'Ermita 2020: https://vimeo.com/473767839/bca19c7e03
Video Weinlese La Faraona 2020: https://vimeo.com/473770595/f1c1f4a237
Viel Vergnügen wünscht
Frank Roeder MW